04/12/2024

Stories

Gemeinsam gegen Obdachlosigkeit

Wohnungen für obdachlose Menschen in Bozen

Die Bauarbeiten in der Rittner Straße 25 in Bozen laufen nach Plan. Hier entstehen 8 Wohnungen für obdachlose Menschen – nach dem finnischen Erfolgsmodell „Housing First“. Eine Initiative des Bozner Vereins dormizil EO, die auch wir von Pohl Immobilien mit Begeisterung, Herz und Tatkraft mittragen. Wir haben Paul Tschigg vom dormizil EO und Hans Martin Pohl dazu ein paar Fragen gestellt.

Herr Tschigg, wie ist die Idee für dormizil entstanden?

Wir waren eine kleine Gruppe von Menschen aus Bozen und Umgebung, die schon länger im Bereich der Obdachlosenhilfe aktiv waren. Wir haben uns dann Projekte in Österreich und Deutschland angeschaut und wollten eine ähnliche Initiative in Bozen starten. Herausgekommen ist der Verein dormizil EO, der sich für langfristige und nachhaltige Lösungen für obdachlose Menschen einsetzt.

 

 

Magdalena und Hans Martin Pohl mit Paul Tschigg und Werner Gurschler

Wie entsteht Obdachlosigkeit? 

Da möchte ich eine Geschichte erzählen, die mich persönlich sehr getroffen hat. Es ist die Geschichte eines Bozners, 50 Jahre alt, hier aufgewachsen, zur Schule gegangen, er hat auch immer gearbeitet. Ein furchtbarer Familienstreit hat plötzlich alles zum Einstürzen gebracht: Der Mann verlässt Südtirol, lebt viele Jahre im Ausland. In Bozen hat er keinen Wohnsitz mehr, keine gültige Adresse und ist somit nicht mehr existent. Als er nach Jahren im Ausland zurückkehrt, lebt er auf der Talfer-Promenade, 4 oder 5 Jahre lang, mit Katzen als beste Freunde und Wärmespender in den kalten Wintermonaten. Er hat ein paar Mal abgelehnt, bei uns in die Notunterkunft in der Rittner Straße einzuziehen, weil er Angst hatte, in einer Wohngemeinschaft zurecht zu kommen. Schließlich hat er das Angebot doch angenommen und wurde unser Gast. Über eine Freiwillige hat er Arbeit bekommen, wir haben mit ihm Wohnung gesucht und gefunden. Nun lebt er seit 3 Jahren in dieser Wohnung, arbeitet weiter engagiert. Er ist ein guter Mieter, wird von allen geschätzt und hat auch wieder Kontakt zu früheren Freunden und Bekannten aufgenommen. Er ist zurück im Leben.

 

Nun entstehen nach dem Modell „Housing First“ acht Wohnungen für langjährig Obdachlose in Bozen. Wie sieht das aus?

Das Konzept von Housing First ist in den 90er Jahren in den USA entstanden. Heute erproben viele europäische Länder diesen Ansatz und vor allem Finnland sehr konsequent und sehr erfolgreich. Das Konzept beruht auf der Annahme, dass Menschen, die manchmal ganz unverhofft auf der Straßen landen, nicht mehr davon wegkommen, wenn sie keine Starthilfe bekommen. Starthilfe im Sinne einer Wohnung. Wenn sie ein sicheres Dach über dem Kopf haben, können sie wieder Struktur in ihren Alltag bringen, sich auf Arbeitssuche begeben, eine Therapie anfangen. Nicht umgekehrt. Die Erfolgsquote in Finnland liegt bei 80 Prozent: Der Großteil der Langzeit-Obdachlosen, die mit Housing First zu einer Wohnung gekommen sind, ist nicht mehr rückfällig geworden. Sie zahlen regulär ihre Miete und nehmen wieder am gesellschaftlichen Leben teil.

 

Wie würden Sie die Situation von Obdachlosen in Bozen beschreiben?

Bozen spiegelt eine Realität wider, die für alle größeren Städte in Europa gilt. Obdachlosigkeit ist keine Folge von Migration, sondern von gesellschaftlichen Auflagen und Anforderungen. Heute ist der Druck um ein Vielfaches größer. Es sind immer häufiger auch jüngere Menschen und zunehmend auch Frauen betroffen, die plötzlich alles verlieren und auf der Straße landen.

 

Das neue Dormizil in der Rittnerstraße in Bozen wird von einigen Unternehmen mitgetragen, darunter auch Pohl Immobilien. Wie sehen Sie diesen Beitrag?

Der Beitrag von Pohl Immobilien ist einzigartig. Nicht nur die finanzielle und technische Unterstützung, auch das große Engagement und die Begeisterung für diese Sache sind alles andere als selbstverständlich. Wir freuen uns, dass wir mit Hans Martin Pohl und seinem Team so viel Einsatz und Herzblut für die Obdachlosenhilfe erfahren dürfen!

 

Hans Martin, wie bist du zum dormizil gekommen?

Ich habe den Verein über einen persönlichen Besuch kennengelernt. Ich war begeistert von dem konkreten Beitrag der durch Freiwilligenarbeit geleistet wird.

 

Warum unterstützt du die Pläne für das neue Dormizil in Bozen und wie sieht das aus?

Ich muss sagen, dass mich der Verein, die Arbeit und der Einsatz der Menschen dahinter sehr beeindruckt haben. Diese Hilfe ist authentisch und unmittelbar. Als ich von der Idee für das neue Dormizil erfahren habe, habe ich mir gemeinsam mit meiner Schwester Magdalena und meinem Vater Peter Paul, mit denen ich gemeinsam unser Familienunternehmen führe, überlegt, wie unser Beitrag aussehen könnte. Als Branchenexperten haben wir die Koordination der Bauarbeiten übernommen, die ich gemeinsam mit unserem erfahrenen Projektleiter Werner Gurschler leite. Aber auch andere Mitglieder unseres Teams  arbeiten interessiert mit. Zudem finanzieren wir die kompletten Elektroinstallation. Ich freue mich, wenn wir dadurch einen ganz konkreten Beitrag leisten können!

 

Hier einige Eindrücke von der Firstfeier am 17.12.2024